Genesis eines Bootes - Die Entwicklung eines neuen Motorbootes
Die BAVARIA SR33 feiert Weltpremiere. Doch was passiert eigentlich alles, bis ein neues Modell von BAVARIA YACHTS soweit ist? Eine ganze Menge!
Ein Boot wie die neue BAVARIA SR33 besteht aus der Summe vieler Teile und ist, das ist klar, ein höchst komplexes Gebilde. Wie in einem großen 3D Puzzlespiel müssen alle Komponenten nahtlos zueinander passen, sich ergänzen, zusammenwirken und in einem begrenzten Raum so clever installiert werden, dass sie optimal funktionieren, aber auch für Wartungsarbeiten zugänglich sind. Eine fast unmögliche Aufgabe, würde man denken, da sich ja die Technik und die Systeme zumeist hinter den Oberflächen einer eleganten und wohnlichen Einrichtung verbergen. Und wenn diese Hürde genommen ist, muss die Serienfertigung reibungslos funktionieren. Denn nur dann kann die Werft ein qualitativ einwandfreies Boot liefern, welches dem Kunden noch lange Freude bereiten wird.
Design, Produktmanagement, Konstruktion arbeiten bei Neuentwicklungen wie der BAVARIA SR33 Hand in Hand.
Wie aber ist diese spannende Aufgabe praktisch zu lösen? Die Entwicklung eines neuen Modells ist ein relativ langer Prozess. Für die Motorboote bei BAVARIA ist Beate Wirtky als Produktmanagerin zuständig. Sie entscheidet gemeinsam mit der Geschäftsführung und dem Vertrieb, welches das richtige Produkt für den Markt und für die Modellreihen der Werft ist: „Wir analysieren, in welchen Segmenten wir uns weiter entwickeln müssen, um die richtigen Boote zur richtigen Zeit am Markt zu haben!“ Das klingt ganz nach einer schwierigen Frage und diese zu beantworten, ist genau ihre Aufgabe. Gesicherte Daten oder detaillierte Marktstudien gibt es dazu kaum, viele Anhaltspunkte jedoch schon: „Wir arbeiten eng mit unseren Händlern zusammen, um die Bedürfnisse der Kunden und die Trendentwicklungen am Markt zu erfahren. Zusätzlich erstellen wir für jedes unserer Boote Wettbewerbsanalysen, verfolgen die Geschehnisse am Markt und beobachten sehr genau, welche Trends sich tatsächlich weiterentwickeln.“
Das Interieur einer BAVARIA muss nicht nur schön sein, das Gewicht der Einbauten spielt für die Konstruktion eine große Rolle.
So fällt dann beispielsweise die Entscheidung, ein neues 33‐Fuß Motorboot der SR‐Reihe zu entwickeln, wie dieses in etwa aussehen soll und wer der Designer sein wird. BAVARIA YACHTS arbeitet bei seinen Motoryachten schon lange mit dem italienischen Designer Marco Casali und der Firma Micad zusammen, die für die reinen Rumpflinien und hervorragenden Fahreigenschaften zuständig ist. Und schon kommen weitere Experten im Team von BAVARIA dazu: Fabian Bayer als Projektleiter für neue Modelle etwa, Benjamin Stahns als Projektingenieur sowie die werfteigene Konstruktionsabteilung, wo die vielen Details ausgetüftelt werden. Damit befinden wir uns in der Konzeptphase. Hier werden noch einmal die von der Produktmanagerin und der Geschäftsleitung formulierten Anforderungen an das neue Boot besprochen und feinjustiert, die ersten Entwürfe des Designers werden geprüft, Terminpläne und Kostenkalkulationen erstellt.
Das Design der BAVARIA SR33 stammt von dem bekannten Designer Marco Casali aus Italien.
Vor allem aber wird in dieser Phase festgestellt, was von all den später möglicherweise angebotenen Optionen technisch und praktisch überhaupt umsetzbar und sinnvoll ist. „Das geht schon gleich nach den ersten Designs los, wir haben dann eine Liste mit allen Optionen, die das Produktmanagement gerne anbieten möchte. Wir bilden dann die extremen Beladungszustände ab, wenn ein Boot mit allen angebotenen Optionen bestellt wird und vom Gewicht her dann entsprechend beladen ist. So prüfen wir in dieser Phase, ob das Boot noch innerhalb eines eng gesteckten Trimmbereiches schwimmt und funktioniert“, erklärt Benjamin Stahns und gibt dazu ein Beispiel aus der Entwicklung eines früheren Modells: „Das Boot sollte auch mit einer hydraulischen Badeplattform angeboten werden, dazu noch mit einem 8kW Generator, beides im hinteren Bereich des Bootes. Das sind dann etwa 300 Kilo Gewicht mehr. Eigentlich ist das von der Konstruktion her kein großes Problem. Aber wenn diese Option nicht gekauft wird, fehlen da eben plötzlich wieder 300 Kilo. Aufgrund der ständig steigenden Kraftstoffpreise versuchen wir natürlich auf den Einsatz von Trimmblei zu verzichten. Das ist uns in den letzten Jahren auch immer gelungen. Das alles so zu konstruieren, dass das Boot in beiden Fällen gut schwimmt, ist natürlich die eigentliche Herausforderung!“
Aber damit nicht genug, ergänzt Fabian Bayer: „Dann kommen auch noch die Kollegen aus der Produktion und sagen: Sieht ja schön aus, aber wie sollen wir das denn bauen? Das ist doch viel zu aufwändig! So wird immer hin und her optimiert. Die Produktion ist wirtschaftlich wichtig, aber das Boot muss natürlich auch gut aussehen und funktionieren.“
Typisch für eine BAVARIA, clevere Lösungen...
… wie die Tisch-Sonnenliegen-Kombination der SR-LINE.
Sind die Pläne auf diese Weise so weit ausgearbeitet, dass alles theoretisch funktioniert, gibt es den so genannten „Design‐Freeze“. Das ist der Punkt, ab dem an grundsätzlichen Dingen nichts mehr geändert wird – dafür beginnt nun die Detaillierung. In der Konzeptphase wird vieles nur teilweise fertig entwickelt. Man weiß also, da kommen ein Scharnier und eine Gasfeder hin, aber man weiß noch nicht, welches Scharnier und welche Gasfeder.
„Die Detaillierung ist die Arbeit, die etwa 80 Prozent der Herstellungsstunden verschlingt“, erklärt Stahns. „Da wird konstruktiv im Einzelnen umgesetzt, was vorher im Prinzip bestätigt worden ist.“ Allerdings kann auch dann noch passieren, dass dies nicht klappt. Fabian Bayer nennt dafür einen, wenn auch seltenen, Fall: „Gerade in der aktuellen Lage kann es vorkommen, dass Lieferanten ausfallen. Dann gibt es das geplante Luk nicht mehr, und das Luk vom anderen Hersteller ist vielleicht zwei Zentimeter größer, die wir aber eigentlich nicht mehr haben.“
Eine wichtige Hilfe bei dieser Tüftelei ist das „Mock‐up“, ein Modell der Inneneinrichtung aus Sperrholz in Originalgröße, welches schon während der Konzeptphase aufgebaut wird. Hier können diverse Detaillösungen nicht nur am Computer simuliert, sondern quasi in vivo nachgebaut werden. Dabei geht es nicht nur um den Einbau von Systemen oder Beschlägen, sondern auch ums Grundsätzliche. Die Ellenbogenfreiheit im Waschraum, zum Bespiel. Stößt man sich auch nicht den Kopf, wenn man vom WC aufsteht. In welche Richtung soll eine Tür sich öffnen lassen? Und vieles mehr.
Jedes Detail will genau überlegt sein...
… damit alles später seinen Platz hat.
Wenn alles passt, wird der erste Prototyp gebaut. Fabian Bayer erklärt: „Der Prototyp ist wie eine Versicherung, dass alles klappt. Falls etwas wirklich Unvorhergesehenes passiert und das Boot würde schon am Band laufen, wäre das schlecht. Die Produktion hier läuft ja wie eine ordentlich getaktete Maschine, da kann man nicht einfach sagen: Oh, hier ist was schiefgelaufen, wir brauchen jetzt doch mehr Zeit. Vor allem aber dient der Prototyp auch für die Erstbemusterung von Bauteilen von Zulieferern. Und natürlich für den ersten Praxistest auf dem Wasser.“
Nach den ersten beiden Prototypen läuft die Produktion an den Bändern nach und nach an. „Ein Boot hat etwa 200 verschiedene Optionen, die können wir nicht alle vorab bauen. Dafür ist die Anlaufphase in der Produktion so wichtig.“
Die Produktmanagerin Beate Wirtky denkt zu diesem Zeitpunkt vermutlich längst wieder über neue Modelle nach. Wie wichtig ist für sie eigentlich die Zusammenarbeit mit dem Designer? „Die Zusammenarbeit mit Marco Casali ist sehr gut und Dialog und offener Austausch sind sehr wertvoll für uns. Wir bekommen dadurch konkrete Anhaltspunkte, was wir für unsere Neuentwicklungen berücksichtigen müssen, aber auch, was vielleicht nicht zu unserem Portfolio passt. Gerade im Hinblick auf neue Trends kann uns der Designer wichtigen Input aus seiner Sicht und seiner Erfahrung liefern. Die Entscheidungen treffen am Ende natürlich wir als Werft, aber immer unter Berücksichtigung der professionellen Einschätzung von Marco Casali.“
Und fängt sie jedes Mal mit einem weißen Blatt Papier an? „Nein, nicht unbedingt. Wenn das Modell in eine bereits bestehende Modellreihe passen soll, ist es wichtig, elementare Designelemente aufzugreifen um die Harmonie innerhalb der Modellfamilie zu erhalten. Dies kann mit einem neu entwickelten Rumpf genauso funktionieren wie mit einem bestehenden. Beginnt man jedoch eine komplett neue Produktlinie oder sogar in einem neuen Segment, hat man zum Start meist das weiße Blatt vor sich.“
Die neue BAVARIA SR33 ist für Beate Wirtky jedenfalls erfolgreich abgeschlossen – und schon ist sie im Kopf beim nächsten Boot. Wo geht es hin? Sie lacht und meint, das würden wir schon zum passenden Zeitpunkt erfahren.