Tag und Nacht: Segeln rund um die Uhr. Worauf es ankommt, wenn es Nacht wird

Es ist frisch, zum Glück regnet es nicht und unsere BAVARIA C38 segelt flott hoch am Wind. Dafür ist es stockdunkel und die Uhr zeigt kurz vor Mitternacht. Sanft werde ich aus dem Schlaf gerüttelt: „Reise, Reise, aufwachen, du hast gleich Wache.“ Es folgen ein paar Minuten der Selbstüberwindung um sich aus der warmen Koje zu bewegen. Kurz frage ich mich warum wir uns diese Anstrengungen des Segelns bei Nacht antun. Doch sobald ich hinaus an den Steuerstand trete, liegt die Antwort auf der Hand: Weil es zu den beeindruckendsten Momenten gehört im Mondlicht, unter dem großartigen Sternenhimmel das Meer zu erleben und das Boot durch die Nacht zu steuern.

Es sollte nicht vergessen werde, dass man als Skipper gerade in der Nacht eine besonders große Verantwortung für die Crew und das Boot trägt. Daher gilt es einige Dinge zu beachten.

Wie eine große Fabrik im Schichtdienst, wird auch an Bord 24 Stunden am Tag etwas produziert: nämlich Sicherheit und Meilen. Man muss nach anderen Schiffen Ausschau halten um Kollisionen zu vermeiden, mit Seekarte und Kartenplotter navigieren, und immer aufmerksam bleiben. Auf das Wetter und seine Entwicklung achten, dass die Yacht immer schnell und sicher gesegelt bzw. gefahren wird. Also braucht man an Bord ein Schichtsystem, das die Crew einteilt. Auf See werden diese Schichten Wachen genannt.

 

Einige Wach-Systeme im Überblick

Das richtige Wachssystem sollte vor dem Törn wohl überlegt sein und mit der Crew besprochen werden. Die optimale Aufteilung hängt von der Größe der Yacht, der Crewstärke und ihrer Erfahrung ab. Folgende Wachsysteme sind am verbreitetsten.

Das Dreiwach­System stammt aus der Berufsschifffahrt. Nach vier Stunden Wache folgen acht Stunden Freiwache. In diesem klassischen System führt der 1. Offizier meist die erste Wache, der 2. Offizier die zweite und der 3. Offizier die dritte. Meist müssen die niederen Ränge die ungeliebte Hundewache zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens übernehmen. Ein Wachsystem, das auch auf Segelbooten gut funktionieren kann. Vorausgesetzt, es befinden sich neben dem Skipper mindestens zwei von der Erfahrung gleichwertige Wachführer an Bord.

Das Zweiwach­System ist zugeschnitten auf kleine Berufsschiffe, die nur über Kapitän und einen Offizier verfügen. Nach sechs Stunden Wache folgen sechs Stunden Freiwache. Sollte sich die Crew einer Yacht aus Eulen und Lerchen zusammensetzen, also Menschen, die eher Nachtmenschen sind (Eulen) und Frühaufstehern (Lerchen), die aber abends schnell müde werden, ist dieses System perfekt, weil es den Biorhythmus der einzelnen Crewmitglieder berücksichtigt.

Auf Langstreckenregatten, wie dem ARC über den Atlantik, gibt es meist nur zwei Wachen. Backbord- und Steuerbordwache genannt. Der Wachwechsel findet alle vier Stunden statt. Navigator und Skipper sind wachfrei und jede Wache hat einen eigenen Watch­Captain. Doch mit viel Schlaf ist auf einer Regattayacht nicht zu rechnen, denn es geht nicht nur um Sicherheit, sondern ebenfalls darum, die Yacht rund um die Uhr am Limit zu segeln.

Was bedeutet Schlafentzug für den Körper?

Schon 24 Stunden Schlafentzug verursachen im Körper ähnliche Symptome wie ein Promille Alkohol im Blut.

Das Sprechen, das Sehen, die Merkfähigkeit und die Wahrnehmung nehmen mit jeder Stunde Schlafentzug rapide ab. Dafür nehmen Risikobereitschaft und Orientierungslosigkeit deutlich zu.

An Bord ein gefährlicher Faktor und eine Belastung für den Körper. Dem Körper nötige Pausen zu gönnen und entsprechende Schlafphasen einzuplanen, ist also nicht nur eine Frage des Komforts - es ist für die Sicherheit der Schiffsführung sogar verpflichtend.

 

Regeln für die Crew

Zuvor sollten klare Regeln innerhalb der Crew festgelegt werden. Beispielsweise, dass bei Nacht eine Rettungsweste getragen wird und zusätzlich mit Gurt oder Ring an der Yacht befestigt wird. Lässt es die Personenanzahl zu, sollten stets zwei Personen erholt und wach an Bord sein. Es empfiehlt sich zudem ein Alkoholverbot zu vereinbaren.

Einige Crews agieren sogar nach folgender Vereinbarung: Sollte jemand aus der Crew merken, dass er während der Wache müde wird, besteht das Recht, sich sofort von einem anderen Crewmitglied der Freiwache ablösen zu lassen, ohne Diskussionen.

„Disziplin bei den Wachen ja, aber nicht um jeden Preis. Wenn bei mir an Bord Crewmitglied während seiner Wache müde wird, lasse ich mich als Skipper wecken und löse denjenigen ab. Ich vermittle dabei das Bewusstsein, dass dies für mich ohne viel Gerede so in Ordnung ist. Ich betone gegenüber meiner Crew immer, dass ich in jedem Moment geweckt werden kann. Und umgedreht genauso, wenn ich zu müde werde, lasse ich mich ablösen bevor ich Gefahr laufe, durch Fehleinschätzungen die Yacht in Gefahr zu bringen.

Das muss in einer guten Crew ohne Häme möglich sein“, berichtet ein österreichischer Skipper, der bereits mehrfach den Atlantik überquert hat.

Unsere Checkliste für das Nachtsegeln:

  • Am Tag so gut es geht vorschlafen
  • Vor der Dämmerung einmal komplett das Deck kontrollieren -> Stolperfallen beseitigen
  • Taue spannen
  • Seeventile schließen
  • Rettungswesten prüfen und zur Sicherheit mit Lichtern ausstatten
  • Vor der ersten Wache eine heiße Mahlzeit zu sich nehmen
  • Unter Deck alles sichern, Kojen seefest machen
  • Instrumente wie Kartenplotter inklusive Einstellung prüfen
     

Was man griffbereit haben sollte

  • Warme Kleidung, ggf. Handschuhe
  • Stirnlampe
  • Thermoskanne mit heißem Tee
  • Suchscheinwerfer
  • Fernglas
  • Funkgerät
  • Kompass
  • Rettungsweste

 

Zurück auf unserer BAVARIA C38 auf ihrem Kurs durch die Nacht. Mit einer warmen Jacke und einem heißen Tee in der Hand sitze ich nun im Cockpit. Mit einem kurzen Briefing von der abgelösten Wache, die sich nun auf ihre Kojen freut, wurde ich über Kurs und Wetter informiert.

Alles rund um das Schiff ist atemberaubend. Phosphoreszierende Algen bringen das Kielwasser zum Leuchten, die Sterne auf See strahlen tausendmal heller als an Land und es ist die beste Zeit an Bord, die man nie vergessen wird.

 

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